information about Fukushima published in English in Japanese media info publiée en anglais dans la presse japonaise
16 Janvier 2017
An article in German by IPPNW
https://www.ippnw.de/atomenergie/gesundheit/artikel/de/unabhaengige-untersuchung-und-beratu.html
aus dem ATOM-Energie-Newsletter Januar 2017
Unabhängige Untersuchung und Beratung für Betroffene des Super-GAUs von Fukushima
09.01.2017
In Japan versuchen die Behörden weiterhin, die Bevölkerung bezüglich der Risiken der Atomenergie zu beruhigen. Ein enormer PR-Aufwand wird betrieben, um die Atomenergie in einem guten Licht darstehen zu lassen und gegenläufige Nachrichten, kritische wissenschaftliche Ergebnisse und unangenehme Fakten zu unterdrücken. Unabhängige Strahlenmessstellen sind für die japanische Atomlobby daher ein besonderer Dorn im Auge – besonders wenn diese von Müttern betrieben werden, die die Gesundheit und die Zukunft ihrer Kindern als Motivation für ihre subversive Arbeit anführen.
In der Stadt Iwaki, nur etwa 50 km vom havarierten AKW entfernt, führt das gemeinnützige “Mothers’ Radiation Lab Fukushima” seit 5 Jahren unabhängige wissenschaftliche Strahlenmessungen durch. Der japanische Name ( Iwaki Radiation Measuring Center Tarachine) spielt auf die “sorgsame Mutter” Tarachine in der japanischen Tradition an. Das Labor wurde von besorgten Müttern gegründet, die sich auf Demonstrationen gegen Atomenergie kennen gelernt hatten. Ihnen wurde bewusst, dass sie mit Demonstrationen alleine wenig bewirken konnten. Sie wollten etwas bewegen und das Schicksal ihrer Familien und ihrer Heimat nicht länger den Behörden in Tokyo überlassen, sondern in die eigene Hand nehmen. Daher fassten sie den Beschluss, eine unabhängiges Strahlenmess-Labor zu gründen und taten sich dafür mit Wissenschaftlern und Spezialisten zusammen. Sie sammelten Spenden, kauften die nötige Ausrüstung, bildeten sich fort und gründeten 2011 das Mother's Radiation Lab Fukushima.
Heute hat das Labor 12 MitarbeiterInnen und mehr Aufträge als es bearbeiten kann. Seit dem mehrfachen Super-GAU von Fukushima sind in Japan mehr als 100 bürgerbetriebene Labore entstanden, aber das Labor der Mütter in Iwaki ist das einzige, das über die nötige Gerätschaft zur Testung von Betastrahlern verfügt. Das ist wichtig, um in Nahrungsproben, wie z.B. von wilden Pilzen oder Obst radioaktive Stoffe wie Cäsium-134, Cäsium-137, Strontium-90 und Tritium zu detektieren. Das Labor veröffentlicht seine Daten online und rät der Bevölkerung dazu, Orte und Lebensmittel mit hoher nachgewiesener Strahlenbelastung zu meiden. Diese fundierten Daten und Warnungen sind für viele Familien im Alltag sehr wichtig und ergänzen die dürftigen Informationen der Präfektur und der Zentralregierung. Diesen scheint vor allem an einer baldmöglichen Wiederbelebung der regionalen Landwirtschaft gelegen zu sein, so dass unangenehme Erkenntnisse über anhaltende Strahlenbelastungen in Fukushima mit dem Argument verdrängt werden, man m
üsse nun optimistisch in die Zukunft blicken.
Die Mütter wissen, dass viele Familien an der einfachen aber lebenswichtigen Frage verzweifeln: was können wie noch sicher essen? Die Kluft zwischen denen, die unbeschwert die eigene Ernte verzehren und denen, die nur getestete und für sicher befundene Nahrung für ihre Familie zulassen, ist groß und verläuft zum Teil zwischen Ehepartnern oder Generationen, wenn beispielsweise ältere Menschen wie gewohnt Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anbauen und ihre Kinder die Ernte aber für sich und ihre Familien aus Sorge um radioaktive Belastung ablehnen. Hier bieten die Mütter mit ihrem unabhängigen Labor eine konkrete Lösung für potentiell verheerende Familienkonflikte. Die MitarbeiterInnen des Labors testen alles, was ihnen gebracht wird – von Reis über Laub bis hin zum Inhalt von Staubsaugerbeuteln.
Die Regierung testet Stichproben auf Großmärkten und im Handel, bietet aber keine Messungen von selbst angebautem Obst oder Gemüse an. Auch führte die Regierung groß angelegte Dekontaminationsprojekte in den Städten und Dörfern der kontaminierten Gebiete durch und stellte sicher, dass in Wohngebieten die Grenzwerte nicht überschritten werden. Mittlerweile sind diese Messungen jedoch teilweise schon Jahre her und die Flächen durch Pollenflug, Wind, Regen, Schnee und zum Teil auch Überschwemmungen bereits mehrfach rekontaminiert. Regelmäßige Messungen von Bodenproben oder Hausstaub werden von den Bewohnern der kontaminierten Gebiete dringend benötigt, von den Behörden jedoch nicht angeboten. In kommerziellen Laboren kosten solche Analysen rund 200.000-250.000 Yen (1.600-2.000 Euro). Im Mothers' Radiation Lab Fukushima kosten die selben Untersuchungen nur rund 3.000 Yen (25 Euro), so dass sich auch Privatleute eine Messung ihrer Ernte, ihrer Bodenproben, ihres Herbstlaubs oder ihres Hausstaubs leisten können.
Die Mütter bilden sich selber ständig fort und professionalisieren ihre Arbeit. Nun da sich das Labor mittlerweile etabliert hat, haben die Mütter vor, bis 2017 Japans erste von Bürgern betriebene Klinik zu gründen. Hier sollen die Betroffenen der Atomkatastrophe von Fukushima die Möglichkeit haben, Blutuntersuchungen, augenärztliche Untersuchungen auf Katarakte, Ultraschalluntersuchungen der Schilddrüse und Ganzkörper-Strahlenmessungen durchführen zu lassen. Einige dieser Angebote werden bereits jetzt unregemäßig von MitarbeiterInnen des Bürger-Labors und Spezialisten angeboten, die aus ganz Japan nach Iwaki reisen um die dortige Bevölkerung zu unterstützen.
Während die Schilddrüsen von Kindern in der Präfektur Fukushima alle zwei Jahre von der Fukushima Medical University untersucht werden, gibt es in der Bevölkerung wachsende Kritik und Zweifel an den Ergebnissen dieser Tests. Die Unterlagen und Daten werden den Familien nicht ausgehändigt, die Ultraschalltermine sind nur sehr kurz und dürfen nur alle zwei Jahre durchgeführt werden und obendrein hat die Studienleitung wiederholt angegeben, die Untersuchungen mit dem Ziel durchzuführen, die Bevölkerung zu beruhigen. Daher sind die unabhängigen Untersuchungen des Mothers' Radiation Lab Fukushima für besorgte Familien so wichtig. Die Mütter planen zudem die Einführung umfassender Beratungsangebote und psychologische Unterstützung. Laut Angaben einer Umfrage der Chukyo Universität von 2014 haben 50% aller Mütter in Fukushima Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder. Der psychische Stress des Lebens in einer kontaminierten Umwelt macht sich bei den Müttern, aber auch bei den Kindern bemerkbar.
Von Dr. Alex Rosen
Mehr Informationen
über das Mothers’ Radiation Lab Fukushima und Informationen, wie man die Einrichtung am besten unterstützen kann, findet man auf den folgenden Webseiten: